Deutscher Umweltpreis für Moorforscherin Tanneberger

Dr. Franziska Tanneberger erforscht, wie trockengelegte Moore wiedervernässt werden können. Für ihre Arbeit wurde sie in diesem Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ausgezeichnet. 


Über Dr. Franziska Tanneberger

© Foto: Felix Amsel

Franziska Tanneberger ist Moorforscherin und leitet seit 2015 das Greifswald Moor Centrum (GMC), eine Kooperation zwischen der Universität Greifswald, der Michael Succow Stiftung und dem Institut für Nachhaltige Entwicklung der Naturräume der Erde (DUENE e.V.). 

Tanneberger gilt als Brückenbauerin zwischen Wissenschaft, Politik und Landwirtschaft und zeigt mit ihrer Arbeit, wie die Wiedervernässung der Moore in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft erfolgreich umgesetzt werden kann. Eine wichtige und zukunftsweisende Arbeit, denn: Weniger als 5 Prozent der Moore in Deutschland sind noch intakt, da die Flächen vor mehreren 100 Jahren trockengelegt wurden. Dabei sind intakte, nasse Moore hervorragende CO2-Speicher und klimarelevant. Ein Großteil der Moorböden wird allerdings landwirtschaftlich genutzt und die Wiedervernässung der Flächen ist für viele Eigentümer:innen wenig attraktiv.

An dieser Problemlage setzt ein Forschungsprojekt der Universität Greifswald an, an dem Tanneberger mitarbeitet und das von der Joachim Herz Stiftung gefördert wird: Im Fokus steht die Kombination von Photovoltaik (PV) und Moorwiedervernässung. Die Forscher:innen untersuchen, inwieweit Photovoltaik Landwirt:innen auf wiedervernässten Moorböden eine ökonomische Perspektive bieten kann – und gleichzeitig klimaschutzbezogene und ökologische Potenziale ausgeschöpft werden können.


Vier Fragen an Dr. Franziska Tanneberger

Liebe Frau Dr. Tanneberger, woran forschen Sie aktuell?

Foto: © Max Yakovliev

Im Projekt „Moor-PV - Klima- und Moorbodenschutz durch Kombination von Photovoltaik und Moorwiedervernässung“ forschen und arbeiten wir in drei Themenfeldern: Treibhausgasemissionen, Ökonomie und Biodiversität. Auf der konkreten Fläche des Forschungsprojekts in Schleswig-Holstein messen wir die Treibhausgase. Im Bereich Ökonomie denken wir über die Photovoltaik-Anlage hinaus und versuchen, konkrete Kostenaussagen zu treffen. In Bezug auf Biodiversität schauen wir bei verschiedenen Artengruppen, beispielsweise Vögeln, Amphibien oder Insekten, wie sich die Artenvielfalt auf dieser Fläche im Vergleich zu den Anlagen auf den Nachbarflächen unterscheidet.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Forschungserkenntnisse zu Photovoltaik in Kombination mit der Wiedervernässung von Mooren in der Praxis umgesetzt werden?

Leider ist der Trend so, dass mehr Anlagen auf trockenen Moorflächen gebaut werden als in Kombination mit Moorwiedervernässung. Aus meiner Sicht sollte es eine viel stärkere Begrenzung von Bautätigkeiten, wie beispielsweise Gasleitungen, Straßenanleitungen oder auch Photovoltaik-Anlagen auf Moorflächen geben. Wenn wir immer so weitermachen, schaffen wir neue Tatsachen: Dann steht so eine Photovoltaik-Anlage auf einer trockenen Moorfläche und ein Investor oder eine Investorin sagt: „Jetzt können wir 30 Jahre lang nicht wiedervernässen.“ Allerdings erlebe ich auch, dass Planer:innen, Projektierer:innen und Investor:innen sich für Klimaschutz einsetzen wollen. Man läuft offene Türen ein, wenn man darüber spricht, dass das Moor unter den Anlagen keine CO2-Quelle sein soll und dass es widersinnig ist, erneuerbare Energien auf einer CO2-Quelle zu produzieren.

Wir müssen an der Schraube drehen, dass Photovoltaik in Kombination mit der Wiedervernässung der Moore stattfinden muss. Dafür braucht es regionale Strukturen. Hier sehe ich schrittweise Verbesserungen in einzelnen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es etwa eine erste Moorschutzagentur. Wenn dort Kapazität besteht, zu beraten, wäre das sehr wünschenswert und man könnte die Belange dort bündeln.


Welche langfristigen Möglichkeiten sehen Sie für den Schutz von Mooren?

Langfristig sehe ich den einzigen Weg darin, dass wir nahezu die gesamte Moorfläche wiedervernässen. Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, dass die Moore weiter CO2 freisetzen. Für dieses Vorhaben benötigen wir unterschiedliche Nutzungskonzepte der Flächen, bessere rechtliche Rahmenbedingungen und mehr Kapazität in den Umsetzungs- und Genehmigungsbehörden. Außerdem sind ein unternehmerisches Interesse an Wertschöpfungsalternativen sowie kreative und innovative Ideen für Nutzungsoptionen gefragt. Wir brauchen eine Kombination von Teilflächen, auf denen Photovoltaik sinnvoll ist oder auch Paludikultur stattfindet –und Teilflächen mit Wildnisgebieten. Wir haben fast 2.000.000 Hektar Moorfläche in Deutschland. Daher bin ich überzeugt, dass all diese unterschiedlichen Nutzungen ihre Berechtigung haben und ihren Platz finden werden. Letztlich sollte die Wiedervernässung von Mooren aus meiner Sicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden, denn der Staat hat die Entwässerung finanziert und organisiert.



Noch eine persönliche Frage: Wie sind Sie zu Ihrem Forschungsgebiet gekommen?

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Mooren. Während meines Studiums hatte ich die Chance, in Sibirien meine Diplomarbeit zu schreiben, wo sich richtig große Moore befinden. Ich war in einem Moor unterwegs, das zweimal so groß ist wie Belgien. Das ist wahnsinnig beeindruckend! Dort habe ich mich in Moore verliebt, auch, weil es eine Landschaft mit sehr spezifischen Tier- und Pflanzenarten ist, die mich fasziniert.

Foto: © Felix Amsel

Die Menschen in Sibirien haben mich damals gefragt: „Wie steht es um eure Moore?“. Da ist für mich ein Denkprozess losgegangen. Wo befinden sich die Moore? Was bedeutet es, dass die Moorflächen Gräben für die Trockenlegung haben? Müssten wir uns nicht viel mehr mit unseren Mooren beschäftigen? Das mache ich seitdem und im gemeinsamen Dialog und Nachdenken kommen immer wieder neue Ansätze dazu, zum Beispiel das Moor-Photovoltaik-Projekt an der Universität Greifswald. Das ist ein neuer relevanter Ansatz, zu dem wir forschen und die Ergebnisse in die Praxis bringen möchten.


Vielen Dank für das Gespräch.


Das könnte Sie auch interessieren

nach oben