Wie kann mehr Forschung in die Anwendung gebracht werden?

Ein Lösungsvorschlag

Multiple Krisen vom Klimawandel über Energie- und Ressourcenmangel bis zu Inflation und Pandemien konstituieren unsere Gegenwart. Neue Technologien können dabei helfen, Lösungen zu schaffen. Wir haben es uns zu einer neuen Aufgabe gemacht, daran gezielt mitzuwirken.


Mit der neuen Förderung, den "innovate! Zentren", verfolgt die Stiftung das Ziel, wissens- und technologiebasierte Innovationen zu beschleunigen und den Unternehmergeist in der Wissenschaft zu fördern. Wie kann dieses Ziel erreicht und Forschung systematisch in die Anwendung gebracht werden? Unser erstes Transferzentrum nimmt den Forschungsbereich Neue Materialien in den Fokus.

Wie funktioniert die Förderung? Was haben Hochschulen davon? Und warum gerade das Feld Neue Materialien? Dr. Dorothea Pieper, die verantwortliche Projektmanagerin für die Transferzentren, geht auf die Herausforderungen im deutschen Innovationssystem ein und berichtet von den Hintergründen. Katharina Copony, Justiziarin der Stiftung, erklärt die rechtlichen Grundlagen des Transferzentrums.


Liebe Frau Pieper, welche Herausforderungen im deutschen Innovationssystem gibt es?

Dr. Dorothea Pieper

Dr. Dorothea Pieper: Deutschland gilt als Standort für Spitzenforschung, aber viele der innovativen Ideen aus der Wissenschaft schaffen es dennoch nicht auf den Markt. Sie werden publiziert, vielleicht sogar patentiert, doch ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzbarmachung scheitert in der Regel spätestens im „Valley of Death“ der Innovationskette, der kritischen Phase zwischen öffentlicher Forschung und Markteinführung. Hier treffen Finanzierungslücken auf komplexe juristische Rahmenbedingungen sowie systemische Barrieren zwischen öffentlicher Hand und Wirtschaft, die den Innovationsprozess oftmals verlangsamen oder gar ausbremsen.

Wie werden diese Herausforderungen durch das "innovate! Zentrum" adressiert, insbesondere im Hinblick auf das "Valley of Death" in der Innovationskette?

Das Transferzentrum kann in dieser Lücke als Brücke fungieren, da es außerhalb der Limitierungen staatlicher Fördermittel agieren und flexibel handeln kann. Es ermöglicht insbesondere interdisziplinäre Ansätze und setzt in der Entwicklung an einem Punkt an, an dem sich besonders schwer andere Finanzierungen finden lassen.

 

Lassen Sie uns einmal genauer auf das Transferzentrum schauen: Welche Ziele verfolgt die Joachim Herz Stiftung mit dem Transferzentrum?

Der Aufbau des Transferzentrums zielt darauf ab, wissens- und technologiebasierte Innovationen zu beschleunigen und den Unternehmergeist in der Wissenschaft zu fördern. Wir möchten Spitzenforscher:innen eine ideale Umgebung bieten, transferrelevante Forschungsprojekte nach ihren Vorstellungen zu realisieren und die erzielten Ergebnisse für die Gesellschaft nutzbar zu machen.

 

Was macht das Transferzentrum einzigartig in der Förderlandschaft?

In unserem Modell ist die Stiftung Fördermittelgeberin und zunächst auch Gesellschafterin der Transferzentrums gGmbH. Das ermöglicht es dem Zentrum, frei von öffentlich-rechtlichen Einschränkungen zu sein und marktorientiert agieren zu können. Gleichzeitig kann das Transferzentrum als An-Institut den Austausch und die Interaktion mit der wissenschaftlichen Community bewahren. Zusätzlich gibt die mit bis zu zehn Jahren vergleichsweise lange Förderdauer der geförderten Hochschule Planungssicherheit und unterstützt beispielsweise personelle Kontinuität.

 

Warum das Forschungsfeld Materialwissenschaften?

Neue Materialien sind ein wichtiger Schlüssel, um großen Herausforderungen wie dem Klimawandel mit konkreten Lösungen zu begegnen. Es ist zugleich ein Thema, das unterschiedliche Fachbereiche anspricht, die Fachgebiete der Stiftungssatzung aufgreift und zusammenführt. Insofern eignet sich dieses große Forschungsgebiet besonders gut, um mittels passgenauer institutioneller Förderung eine effiziente und effektive Translation von Forschungsergebnissen in die praktische Anwendung zu ermöglichen.

Wie trägt das Transferzentrum dazu bei, den unternehmerischen Geist in der Wissenschaft zu fördern?

Den Forschenden werden marktwirtschaftlich wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen geboten, ohne die wissenschaftliche Freiheit einzuschränken. Während im Wissenschaftsbetrieb bislang vor allem Publikationen besonders incentiviert werden, sollen durch das Zentrum zusätzliche Anreize geschaffen werden, Ergebnisse auch gesellschaftlich oder marktwirtschaftlich nutzbar zu machen. Gleichzeitig streben wir mit unserem Förderformat eine neue Qualität der Vernetzung zwischen Wirtschaft und Hochschulbereich an.


Frau Copony, warum wird das erste "innovate! Zentrum" als rechtlich eigenständiges An-Institut in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) aufgebaut?

Katharina Copony: Zunächst ist die Governance einer GmbH im Hinblick auf die Zielsetzung ideal: Sie bietet eine schlanke und flexible Struktur. Die Joachim Herz Stiftung ist während der Förderdauer Mehrheits- oder Alleingesellschafterin, zieht sich im Erfolgsfall, spätestens mit dem Auslaufen der Förderung vollkommen aus der Gesellschafterrolle zurück und wird ihre Anteile an die kooperierende Hochschule übergeben. Die Rechtsformen Stiftung und Verein sind in dieser Hinsicht strukturell nicht so gut geeignet. Das Erfordernis der Gemeinnützigkeit des Transferzentrums ergibt sich daraus, dass die Joachim Herz Stiftung als gemeinnützige Stiftung im Rahmen einer Förderung ihre Mittel nur steuerbegünstigten Einrichtungen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften zuwenden kann. Über die Anerkennung als An-Institut der kooperierenden Hochschule wird die enge Anbindung des Transferzentrums gewissermaßen manifestiert.

Wie wird die Zusammenarbeit zwischen Transferzentrum, Wirtschaft und Hochschulbereich strukturiert?

Katharina Copony: Grundlage für die Zusammenarbeit ist eine Kooperationsvereinbarung, die alle Beteiligten von Anfang an einbezieht: Joachim Herz Stiftung, Hochschule, Forschende, das Transferzentrum und gegebenenfalls Partner aus der Wirtschaft. Diese Vereinbarung ist die Grundlage der gemeinsamen Zusammenarbeit und soll die gegenseitigen Beiträge, aber vor allem die Belange aller berücksichtigen. Dabei wird auch das Thema IP, sowohl bestehender als auch im Rahmen der Zusammenarbeit gegebenenfalls neu entstehender, eine große Rolle spielen. Auf Ebene der Kooperation werden verschiedene Gremien, wie beispielsweise ein Steering Committee und ein Beirat eingerichtet und ausgewogen besetzt. Durch entsprechende Regelungen wird im Übrigen dafür Sorge getragen, dass Entscheidungen und Empfehlungen der Gremien auf Ebene der Kooperation auch in das Transferzentrum wirken.


Frau Pieper, wie verläuft der Bewerbungsprozess für interessierte Hochschulen?

Dr. Dorothea Pieper: Die Bewerbung erfolgt in einem zweistufigen Auswahlverfahren: Expertinnen und Experten für Wissenschaft, Innovation und Transfer sowie aus der Hochschulpolitik bilden die von der Joachim Herz Stiftung beauftragte Auswahlkommission. Sie begutachten in einem ersten Schritt die Interessensbekundungen. Die von der Jury als vielversprechendste bewerteten Kandidat:innen der ersten Runde erhalten eine Einladung zum Vollantrag. Die Vollanträge werden erneut von einer Auswahlkommission begutachtet. Die letzte Entscheidung liegt – auf Basis der Rückmeldungen durch die Jury – bei der Joachim Herz Stiftung.

Welche Kriterien werden für die Förderentscheidung herangezogen?

Die Joachim Herz Stiftung trifft die Förderentscheidung auf Basis der fachlichen Begutachtung unserer unabhängigen Expertenjury. Neben der wissenschaftlichen Exzellenz des innovativen Forschungsprogramms und der Aussicht auf praktische Umsetzbarkeit und Skalierbarkeit der Forschungsidee stehen insbesondere die institutionelle Bereitschaft der Hochschule auf dem Gebiet des Forschungstransfers sowie die individuelle Befähigung der beteiligten Wissenschaftler:innen und Wissenschaftsmanager:innen im Fokus des Auswahlverfahrens.

Wie wird die Nachhaltigkeit des Transferzentrums über die Förderdauer von bis zu zehn Jahren sichergestellt?

Im besten Fall trägt sich das Zentrum nach Ende der Förderung – im Erfolgsfall auch schon früher – allein und wird in der Lage sein, weitere Transferforschungsaktivitäten autark zu finanzieren. Die Stiftung wird sich in beiden Fällen aus dem Zentrum zurückziehen, so dass die Fortführung der Struktur der geförderten Hochschule obliegt.


Bewerbung

Bis zum 31. Januar 2024 konnten interessierte Hochschulen eine Interessensbekundung für die Ausschreibung des "innivate! Zentrum" einreichen. Die Ausschreibung bezieht sich auf das Themenfeld "Neue Materialien für nachhaltige Technologien". 

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