Umweltpolitik besser verstehen

Ein Gruppenfoto des Teams von MEEP
Das multidisziplinäre Projektteam von MEEP.

Dr. Moritz Drupp, Professor für Nachhaltigkeitsökonomik an der Universität Hamburg, und sein Team wurden 2024 mit dem erstmals vergebenen Joachim Herz Preis ausgezeichnet. Im Interview erklärt er, wie das Projekt MEEP (Mapping Effects of Environmental Policy) die Effekte von umweltpolitischen Maßnahmen untersucht und darstellt.


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Herr Professor Drupp, worum geht es bei dem Projekt Ihres Teams, das mit dem Joachim Herz Preis ausgezeichnet wurde?

MEEP erforscht die komplexen Auswirkungen von Umweltpolitik und entwickelt eine öffentliche Wissensplattform, auf der die Effekte der umweltpolitischen Maßnahmen in interaktiven Deutschlandkarten dargestellt werden. Auf diese Weise sollen die Folgen von Umweltpolitik auf verschiedene Regionen und gesellschaftliche Gruppen verständlicher und allgemein zugänglich gemacht werden. Gemeinsam mit Partnern wie dem Umweltbundesamt möchten wir mit MEEP einen Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation im Sinne der Nachhaltigkeitsziele leisten.

Was ist die genaue Zielsetzung des Projekts und welche Zielgruppen soll es ansprechen?

Wir möchten die Bedeutung und Auswirkungen der Umweltpolitik auf Aspekte wie Luftverschmutzung, Klimawandel und sozioökonomische Ungleichheiten verständlicher machen. Unsere Zielgruppen sind dabei nicht nur andere Wissenschaftler:innen, sondern auch die breite Öffentlichkeit. Wir stellen immer wieder fest, dass ein Informationsdefizit darüber besteht, wie die Auswirkungen von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in der Gesellschaft verteilt sind. Die öffentliche Debatte konzentriert sich oft lediglich auf die Kosten für Verbraucher:innen.

Diese haben oftmals das Gefühl, die finanzielle Last tragen oder andere Repressalien, zum Beispiel durch Verbote, erdulden zu müssen. Zu welchen Verbesserungen die Maßnahmen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, für sie führen können, wird oft übersehen. Ein besseres Verständnis kann deshalb auch zur leichteren Durchsetzbarkeit von Klimaschutzmaßnahmen beitragen.

Der Joachim Herz Preis – Forschung für unsere Zukunft zeichnet gesellschaftlich relevante, interdisziplinäre Forschungs- oder Transferprojekte Forschender in einer frühen Karrierephase aus, die in ihrem Feld nach internationalen Maßstäben herausragendes wissenschaftliches Potenzial erkennen lassen. Der Forschungspreis ist mit 500.000 Euro dotiert und wird 2024 erstmals verliehen. Das Preisgeld kann für das Vorantreiben eines Forschungsprojekts verwendet werden, gibt den Forschenden aber auch den Freiraum, das Transferpotenzial neu auszuloten und zu entwickeln. Für die erste Ausschreibung konnten wirtschaftswissenschaftliche Projekte eingereicht werden, die zu der Erreichung der folgenden Sustainable Development Goals (SDGs) einen Beitrag leisten: Gesundheit und Wohlbefinden (SDG 3), Hochwertige Bildung (SDG 4), Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG 9), Nachhaltige Städte und Gemeinden (SDG 11), Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13).


Haben Sie ein konkretes Beispiel, was die MEEP-Karten zeigen können?

Sie können aufzeigen, inwiefern Nachhaltigkeitspolitik regional, wirtschaftlich und sozial sehr unterschiedlich wirken kann. Nehmen wir als Beispiel die Abschaltung eines Kohlekraftwerks aus umweltpolitischen Gründen. Während ein Gebiet von einer besseren Luftqualität profitieren kann, zum Beispiel in Form sinkender Gesundheitskosten oder ansteigender touristischer Aktivitäten, könnte eine andere Region durch den Verlust dieses großen Arbeitgebers wirtschaftlichen Schaden nehmen.


Sie sprachen bereits das Thema Transformation an, mit dem sich auch die Joachim Herz Stiftung intensiv befasst. Inwiefern gilt das auch für MEEP?

Der Klimawandel und Nachhaltigkeit im Allgemeinen gehören zu den großen Transformationsthemen unserer Zeit. Wir wollen versuchen, den Diskurs zu diesen Themen nicht nur isoliert innerhalb akademischer Fachkreise zu führen, sondern große Teile der Bevölkerung mitzunehmen. Damit begleiten wir diverse Transformationsprozesse, wie die Energiewende oder auch die Verkehrswende.

Wir wollen versuchen, den Diskurs zu diesen Themen nicht nur isoliert zu führen, sondern große Teile der Bevölkerung mitzunehmen.

Prof. Dr. Moritz Drupp


Ein Kriterium für die Bewerbung zum Joachim Herz Preis ist die Auseinandersetzung mit bestimmten Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.

An Ihrem Projekt fällt auf, dass Sie gleich mit mehreren dieser Sustainable Development Goals (SDG) in Berührung kommen.

Natürlich berühren wir in erster Linie SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), da viele der von uns untersuchten Umweltpolitikmaßnahmen darauf abzielen, den Klimawandel abzuschwächen. Dazu gehören aber auch SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen), SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur) sowie SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden).  


Bei MEEP handelt es sich um ein interdisziplinäres Projekt. Welche Wissenschaftsdisziplinen sind im Team repräsentiert?

Insgesamt handelt es sich bei MEEP um ein fünfköpfiges Team. Es sind Ökonom:innen involviert, die sich auf Umwelt- und Verhaltensökonomik spezialisiert haben und Expertise in der Identifikation von kausalen Effekten von Politikmaßnahmen haben. Dazu zählen Dr. Piero Basaglia (Universität Hamburg), Björn Bos (Universität Hamburg), Lutz Sager (Georgetown University) und ich. Darüber hinaus verfügen wir mit Felix Schaumann vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg über Expertise aus Physik und Klimawissenschaften und somit über Erfahrung mit der Analyse großer Datenmengen, klimaökonomischen Modellen und nicht zuletzt der Darstellung in interaktiven Karten.

Portraitfoto Moritz Drupp
Prof. Dr. Moritz Drupp koordiniert das Forschungsprojekt.

Was sind die nächsten Projektschritte und welche langfristigen Zukunftspläne haben Sie für MEEP?

Zunächst werden wir bestehendes Wissen mit neuen Analysen ergänzen. Dabei untersuchen wir ausgewählte umweltpolitische Maßnahmen wie die Ökosteuer, den Europäischen Emissionshandel, Umweltzonen in Städten, die Richtlinie über Industrieemissionen sowie den Kohle-Ausstieg. Parallel dazu entwickeln wir die besagte Plattform mit interaktiven Karten von Deutschland, um die Analyseergebnisse dort zu integrieren. Langfristig streben wir an, weitere Partner einzubeziehen und die Plattform kontinuierlich zu aktualisieren und zu verbessern, um sie zukunftsfähig zu machen.

Je länger ein solches Projekt besteht und mit Daten gepflegt wird, desto größer wird seine Aussagekraft und gesellschaftliche Relevanz.

Prof. Dr. Moritz Drupp


Gibt es eine persönliche Motivation hinter MEEP, die über das rein wissenschaftliche Interesse hinausgeht?

Wir alle glauben fest daran, dass wir als Wissenschaftler dabei helfen können, das Bewusstsein für Umweltprobleme zu schärfen und Lösungen aufzuzeigen. Es ist uns wichtig, Wissenschaft nicht nur im Elfenbeinturm zu betreiben, sondern sie mit der Gesellschaft zu teilen. Unser Ziel mit MEEP ist es, jeder Person die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Bild von den Auswirkungen bestimmter Umweltpolitiken zu machen und bessere Entscheidungen zu treffen – sei es für das persönliche Leben oder bei der Beurteilung politischer Prozesse.

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