Wie künstliche Intelligenz individuelles Lernen ermöglichen kann
Heterogene Klassen stellen Lehrkräfte vor Herausforderungen: Sie müssen auf unterschiedliche Sprachkenntnisse, Begabungen und Vorwissen ihrer Schüler:innen eingehen. Angesichts des Lehrkräftemangels ist es jedoch kaum möglich, allen individuell gerecht zu werden.
Ein Lösungsansatz: KI-basierte adaptive Lernplattformen, die das individualisierte Lernen fördern. Im Rahmen des Projekts ALEE wird an der Entwicklung adaptiver Lernplattformen am Beispiel der ökonomischen Bildung geforscht.
Im September 2023 waren in Deutschland mehr als 14.000 Vollzeitstellen für Lehrkräfte unbesetzt. Laut Prognosen der Kultusministerkonferenz wird das Problem auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Anzahl der Schüler:innen in Deutschland stärker steigen wird als bisher angenommen. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich vermehrt der Herausforderung stellen, eine heterogene Schülerschaft zu unterrichten, deren Lernbedürfnisse und -voraussetzungen stark variieren. Hinzu kommt in der ökonomischen Bildung, dass viele Lehrkräfte Verbundfächer unterrichten und in der Wirtschaftsdidaktik nicht hinreichend ausgebildet sind.
Wie kann diesen Problemen begegnet werden?
Ein Lösungsansatz könnte das KI-basierte adaptive Lernen sein. Beim adaptiven Lernen werden die Lerninhalte und der Lernprozess an die individuellen Bedürfnisse von Schüler:innen angepasst.
Forscher:innen der Universität Tübingen, der Leuphana Universität Lüneburg und des Instituts für Ökonomische Bildung in Oldenburg forschen an einer KI-gestützten adaptiven Lernplattform für den Wirtschaftsunterricht. Das System ist darauf ausgelegt, Schüler:innen individuell zu unterstützen und Lehrer:innen in ihrer Betreuung zu entlasten.
Auf der Plattform ALEE, die im Forschungsprojekt als Prototyp entwickelt wurde, können Schüler:innen Übungen eigenständig bearbeiten. Es ist vorab kein Lernpfad festgelegt – jede Schülerin und jeder Schüler lernt in einem eigenen Rhythmus. Die Plattform weist den Nutzer:innen adaptiv eine passende Aufgabe zu, die sie am besten in ihrem Lernen fördert.
Dabei wird nicht nur berücksichtigt, wie passend eine Einheit aus fachlicher Sicht ist – ebenso spielt es eine Rolle, wie schwierig die Anforderung sprachlich und kognitiv ist. Fachsprache, Nebensätze oder Formulierungen im Passiv etwa erschweren das Verständnis von Textaufgaben. Das langfristige Ziel: Jugendliche, denen die Bearbeitung wegen ihres Sprachniveaus schwerfällt, sollen vereinfachte Varianten erhalten. Beispielsweise könnte eine Schülerin, die weniger Sprachkenntnisse, dafür aber gute fachliche Kenntnisse hat, Lerneinheiten bearbeiten, die zwar einfacher formuliert sind, aber dennoch anspruchsvolle Konzepte beinhalten. Fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler ohne Sprachhürden würden dagegen mit Fachbegriffen und komplexeren Texten arbeiten.
Durch die künstliche Intelligenz lernt die Plattform kontinuierlich dazu. Algorithmen ermitteln die Aufgabenkomplexität und den Lernstand der Nutzer:innen. Mit jeder Interaktion mit dem System werden diese Schätzungen präzisiert und passen sich immer besser dem Fortschritt der Schüler:innen an. Die Lehrkräfte erhalten einen Überblick über deren Lernstand. So können sie ihren Unterricht entsprechend vorbereiten und gezielt auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen.
Ein weiterer Vorteil: Eine Lernplattform mit fachdidaktisch aufbereiteten und differenzierten Unterrichtsmaterialien kann auch fachfremde Lehrkräfte entlasten. Durch automatisierte Auswertungen müssen die Lehrerinnen und Lehrer weniger Zeit aufwenden, um zu korrigieren und Grundkenntnisse zu vermitteln. Sie können sich so verstärkt der individuellen Betreuung und Vertiefung der Inhalte widmen.
Beispiele der Lernplattform ALEE
Adaptive Lernplattformen wie ALEE sind die Schulbücher der Zukunft! Eine effektive und integrative Lösung für aktuelle Herausforderungen an Schule wie Digitalisierung, Bildungsungleichheit oder Individualisierung des Unterrichts.
Dr. Christian Wuttke, Altes Gymnasium Oldenburg
Der Prototyp der Lernplattform ALEE wurde bereits in einem realen schulischen Umfeld getestet: Insgesamt nahmen 13 Klassen an acht Schulen verschiedener Schulformen (Gymnasium, Gesamtschule, Oberschule, Haupt-/Realschule) in drei Bundesländern (Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg) teil. Jeweils die Hälfte einer Klasse erhielt Aufgaben nach einer festen Liste, wie sie üblicherweise von Lehrkräften festgelegt wird, die Aufgaben für die andere Hälfte wurden vom System adaptiv ausgewählt. Beide Gruppen lernten dazu. Der Test zeigte aber, dass die Lernenden in der adaptiven Gruppe motivierter und zufriedener mit ihrer Leistung waren.